Am Sun, 11 Feb 2007 10:00:06 -0800 schrieb Anjita:
Hallo Anja und Interessierte,
zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass das folgende (wie alles was ich
so von mir gebe) natürlich keinen Anspruch auf absolute Wahrheit hat...
das Ninjutsu, das ich kennen lernte (und das war nicht viel), sah für mich
sehr Ju-Jutsu ähnlich aus. Grundsätzlich soll Ninjutsu die Kampfkunst der
alten Ninjas sein... (das sind diese schwarzgekleideten Freaks, die in den
einschlägigen Filmen alles plattmachen...).
Dazu nun mal was grundsätzliches: Die historischen Ninjas waren in Japan
Spione und Auftragskiller, die die Sachen in Hände nahmen für die sich die
'edlen' Samurai zu schade waren. In so was wurde man reingeboren, d.h. die
hatten in der Tat eine hervorragende Ausbildung, die in frühester Kindheit
begann. Nur – wie geschrieben, die waren Meister im Hinterhalt,
Verstecken, unerkannt irgendwo rein und wieder rauskommen und Leute
ermorden. Am besten im Schlaf. Direkte Konfrontation haben die als Profi
in der Branche (wie dies vergleichbare Profis auch heute noch tun) eher
gescheut. Wenn es zu einer Auseinandersetzung kam, war der andere oft ein
extrem gut ausgebildeter Berufskrieger, der zudem ein Katana führte – und
eine absolute Tötungsabsicht hatte. D.h. Auch der Ninja dürfte
entsprechend bewaffnet gewesen sein und dafür ausgebildet sich gegen einen
Samurai verteidigen zu könnten. Ein Handtaschenraub dürfte da kaum das
Thema gewesen sein. Stellt sich die Frage, was das mit den Anforderungen
heutiger Selbstverteidigung zu tun hat... Wenn du mich fragst: Nix! (das
dürfte übrigens für die meisten sich auf Ihre uralte Historie berufenden
Stile zutreffen...)
Die Polizei... tritt zumeist im Rudel auf (mindestens zu zweit) und ist
bewaffnet. Ju-Jutsu hat – wie Ralf schon schrieb – viel mit Halten und
Kontrollieren zu tun. Warum? Nun, wenn das Auge des Gesetzes den Übelwicht
zu fassen kriegt, muss dieser festgehalten und kontrolliert werden. Das
macht den ein Auge des Gesetzes, während der andere sichert (ggf. mit der
Waffe in der Hand). In der SV gilt, dass der Angegriffene meist alleine
und unterlegen ist. Haltegriffe machen da keinen Sinn – denn von hinten
kommt Knut. Daraus folgt – auch das was für die Polizei sicher richtig
ist, macht für tatsächliche Selbstverteidigung nicht zwingend Sinn.
Mit einer gewissen Skepsis würde ich übrigens auch Werbeaussagen
betrachten, dass ein Meister irgendeines Stils mal als Ausbilder für
Polizei, Bundeswehr, Spezialtruppen usw. gearbeitet hat. Erstens, weil die
da nicht sehr wählerisch sind und zweitens hat das mit tatsächlicher
Selbstverteidigung nichts zu tun.
Wie ich schon mal schrieb – die Fähigkeit erfolgreich zu kämpfen ist mehr
eine Sache des Kopfes, als eine der Technik. Und etwas, das alle
Kampfkunstsysteme lehren ist Wachsamkeit. D.h. einfach sich nicht unnötig
in Gefahr begeben. Wer weiss, was Gewalt anrichten kann, der scheut sie.
Und Kampfkunst schafft Selbstbewustsein. Wenn man nur so wirkt
(Körpersprache!), als wäre man keine leichte Beute, wird man auch in Ruhe
gelassen.
Noch mal zum Thema empfehlungen... wenn's wirklich primär um SV geht, mach
was mit viel Kontakt. Ein Vollkontaktkaratestil, Thaiboxen, oder irgend so
was. Ringen ist auch nicht schlecht. Ansonsten empfehle ich immer noch
Karate. Zwar ist wird das meiste in Deutschland gelehrte Karate so
gelehrt, dass es zumindest kurz oder mittelfristig kaum tatsächliches
Kämpfen lehrt... aber ehrlich geschrieben – wer braucht das schon? Aber:
Karate ist eine vollständige Kampfkunst, kann sowohl als Wettkampfsport,
als auch traditionell, als auch als Selbstverteidigungssystem geübt werden
(ok, letzteres ist eher selten). Karate ist relativ Preiswert.
Tageslehrgänge kosten je nach Lehrer 15 – 30 Euro. Prüfungen sind
ebenfalls sehr bezahlbar – und in den großen Verbänden international
anerkannt. Und ebenfalls sehr wichtig: es gibt NICHTS, das man im
normalen Unterricht nicht beigebracht wird, weil man dafür teure
Lehrerausbildungen braucht! Viel wichtiger aber ist, Karate beinhaltet
alles was man so braucht, Schlagen, Treten, Werfen, Greifen (nicht im
Sinne von Haltegriffen). Karate ist eine ausgezeichnete Körperschule und
kann (die richtige Schule/Verein vorausgesetzt) einen Riesenspaß machen.
Und man kann es bis ins hohe Alter üben.
Grundsätzlich gilt aber immer noch meine Aussage, dass nicht Stile
wichtig sind, sondern Schulen und Lehrer. Wir haben alle nur zwei Arme,
zwei Beine und einen Kopf. Alle Stile und Systeme sind nur Methoden, die
lehren sollen diese zu nutzen. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass es eine
Stil gibt, der als einziger Möglichkeiten kennt Arme/Beine/Kopf zu nutzen,
die alle anderen nicht kennen? Wohl kaum. Ein allen anderen überlegener
Stil müsste schon eine Möglichkeit kennen zusätzliche Beine und Arme
wachsen zu lassen...
Wie ich schon schrieb, ich glaube, dass die meisten Kampfkunstsysteme
kurz bis mittelfristig für tatsächliche SV nicht viel bringen. Da kannst
du fragen warum es die tradtionellen Systeme denn überhaupt gibt – die
haben doch Kämpfen gelehrt. Richtig – haben Sie und tun es immer noch.
Aber nicht mit 2 – 3 Wochenstunden. Eher mit 5 – 6 Stunden am Tag. Und
einen sozialen Umfeld in dem Kämpfen eine andere Bedeutung hat als
heutzutage in Deutschland – und das lernen begann nicht mit 20 Jahren,
sondern in frühester Kindheit. Und der Scope war ein anderer als eine
Kneipenschlägerei oder ein Handtaschenraub.
Grüßle,
Thomas